Einkaufsverhandlungen können erheblich profitieren, wenn man die 10 besten Praktiken versteht und anwendet, die die Grundlage des renommierten Verhandlungsprogramms der Harvard Law School bilden.
Anwendung bewährter Praktiken im Bereich der Einkaufsverhandlungen
Diese zehn Best Practices aus dem internationalen Verhandlungsrecht lassen sich auf beide Haupttypen von Einkaufsverhandlungen anwenden:
Integrative Verhandlung:
Käufer und Lieferant finden gemeinsam eine für beide Seiten vorteilhafte Lösung – z. B. beim Onboarding eines neuen Lieferanten.
Distributive Verhandlung:
Es geht um die Aufteilung einer festen Ressource, bei der eine Partei gewinnt und die andere verliert – etwa bei der Preisneuverhandlung eines bestehenden Vertrags.
Die Kunst des Verhandlers besteht darin, eine distributive Verhandlung in eine integrative zu verwandeln, etwa indem ein besserer Service als Gegenleistung für eine Preiserhöhung ausgehandelt wird.
Die von der Harvard Law School empfohlenen zehn Best Practices liefern die notwendigen Werkzeuge, um Ihr Ziel zu erreichen. Sie lassen sich in allen drei Phasen einer Einkaufsverhandlung anwenden:
Vorbereitung der Verhandlung
Durchführung des Verhandlungsprozesses
Überwachung der Vertragserfüllung
Beste Praktiken vor Beginn der Verhandlung
Bevor das Gespräch beginnt, ist gründliche Vorbereitung entscheidend. Es gilt, einige wichtige Vorkehrungen zu treffen.
Definieren Sie Ihre „Beste Alternative“
Die BATNA (Best Alternative to a Negotiated Agreement, Beste Alternative zu einem ausgehandelten Ergebnis) ist Ihre Rückfalloption für den Fall, dass die Verhandlung scheitert. Das Konzept umfasst zwei Hauptgedanken:
Legen Sie vor der Verhandlung die Grenze fest, ab der der Deal nicht mehr vorteilhaft ist.
Identifizieren Sie eine Alternativlösung, um nicht in eine Sackgasse zu geraten.
Mit einer klar definierten BATNA können Sie gelassen verhandeln und sicherstellen, dass das Ergebnis im Einklang mit Ihrer Unternehmensstrategie und Ihrem Wertverständnis steht.
Vereinbaren Sie den Verhandlungsprozess
Kontaktfrequenz, Teamzusammensetzung und Wahl des Besprechungsortes beeinflussen maßgeblich die Qualität und Effizienz der Verhandlung. Diese Punkte sollten im Voraus geklärt werden, damit Käufer und Lieferant auf derselben Linie sind.
Oft sind Anpassungen nötig – insbesondere bei der Teamzusammensetzung. Diese Phase dient auch dazu, den potenziellen Partner zu testen.
Vertrauen aufbauen
Auch wenn es in zeitkritischen Einkaufsverhandlungen nicht immer einfach ist, lohnt es sich, zu Beginn einige Minuten zu investieren, um Ihren Ansprechpartner kennenzulernen. Ein gemeinsames Interesse oder zumindest der Wille, die Verhandlung erfolgreich abzuschließen, fördert den Dialog.
Selbst wenn die Verhandlung per E-Mail stattfindet, sollte zumindest ein Telefonat zu Beginn erfolgen, um die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen. Die gemeinsame Freude, einen Deal abzuschließen, ist ein wertvoller Trumpf.
Beste Praktiken während der Vertragsverhandlung
Bei der Vertragsunterzeichnung gibt es mehrere entscheidende Schritte zu beachten.
Aktives Zuhören üben
Ein häufiger Fehler besteht darin, während der Redezeit des Gegenübers die eigenen Argumente innerlich zu üben. Die Harvard Law School rät ausdrücklich davon ab. Stattdessen gilt: Zuhören!
Das bringt drei Vorteile:
Ihr Gesprächspartner erkennt Ihr echtes Interesse und Engagement.
Sie können die Argumente Ihres Gegenübers punktgenau reformulieren, um Missverständnisse zu vermeiden.
Sie nehmen wertvolle Informationen auf, die Sie später in Ihrer eigenen Argumentation nutzen können.
Die richtigen Fragen stellen
Offene Fragen sind ein wirkungsvolles Werkzeug, um Verhandlungen in die richtige Richtung zu lenken – insbesondere bei integrativen Verhandlungen, wo viele Optionen offenstehen.
Fragen Sie Ihren Partner nach Bedingungen, Bedürfnissen, Einschränkungen oder Zukunftserwartungen. So gewinnen Sie Einblick in seine wahren Prioritäten.
Vielleicht ist das Hauptziel Ihres Gegenübers, in Ihre Lieferantenliste aufgenommen zu werden – dann können Sie z. B. anbieten, eine gemeinsame „Customer Story“ zu veröffentlichen, im Austausch gegen bessere Lieferfristen oder schnellere elektronische Rechnungsstellung.
Schritt für Schritt vorgehen
Zeitmanagement ist ein zentraler Unterschied zwischen distributiven und integrativen Verhandlungen. Während erstere oft in einer einzigen Sitzung abgeschlossen werden, verlaufen letztere in mehreren Runden.
Führen Sie Ihre integrativen Einkaufsverhandlungen Schritt für Schritt durch! Jedes Treffen sollte einem bestimmten Aspekt gewidmet sein. Ziel ist es, eine Vereinbarung Stück für Stück aufzubauen, bei der jede Partei Zugeständnisse macht, die sie am wenigsten kosten.
Beispiel: Wenn Ihr Lieferant seine logistische Expertise ausbauen und Ihre Zusammenarbeit als Testumgebung nutzen möchte, wird er in diesem Bereich besonders kooperationsbereit sein. Umgekehrt könnten Sie bereit sein, das Bestellvolumen zu erhöhen, wenn Sie kurz vor einer Gebietserweiterung stehen.
Achten Sie auf den „Anker-Effekt“
Das Harvard-Programm beschreibt den „Anchoring Bias“ als die Beeinflussung durch die erste genannte Zahl in einer Verhandlung – selbst wenn diese willkürlich ist. Wenn ein neutraler Beobachter 50 als fairen Mittelwert sehen würde, führt eine erste Nennung von 30 oft dazu, dass sich die Parteien schließlich bei 40 treffen.
Der Rat: Nennen Sie selbst als Erster eine Referenzzahl, um die Diskussion in Ihre Richtung zu lenken. Sollte Ihr Gegenüber den Anker setzen, behalten Sie Ihre BATNA im Hinterkopf, um nicht ungewollt mitgezogen zu werden.
Mehrere Angebote gleichzeitig vorlegen
Statt einer einzigen Option pro Thema sollten Sie mehrere Varianten anbieten. Wenn es z. B. um Lieferbedingungen geht, schlagen Sie drei Modelle vor – mit unterschiedlichen Frequenzen, Lieferpunkten und Zeitfenstern.
So vermeiden Sie eine „Friss-oder-stirb“-Situation und finden mit Ihrem Partner gemeinsam die beste Lösung. Selbst wenn anfangs kein Vorschlag passt, zeigt Ihre Offenheit Gesprächsbereitschaft – und regt Ihr Gegenüber zu Kompromissen an.
Beste Praktiken für eine erfolgreiche Zusammenarbeit
Nach der Vertragsunterzeichnung gilt es, die Partnerschaft langfristig zu sichern.
Verbindliche Klauseln verhandeln
Einkaufsverhandlungen beruhen immer auf gegenseitigem Vertrauen. Beide Parteien geben Zusagen – wohlwissend, dass sich das Umfeld in einem VUCA-Kontext (Akronym für Volatility (Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit).) verändert.
Damit Versprechen nicht zur Belastung werden, gilt: Gestalten Sie Vertragsbrüche für den Lieferanten teuer!
Verbindliche Klauseln mit Vertragsstrafen haben zwei Vorteile:
Sie quantifizieren mangelhafte Leistung oder Vertragsverstöße.
Sie motivieren den Lieferanten, im Streitfall zu Ihren Gunsten zu entscheiden.
Bewertungsschritte im Partnerschaftsprozess planen
Eine letzte bewährte Praxis besteht darin, regelmäßige Evaluierungen einzuplanen. So erkennen Sie, wie gut der Vertrag umgesetzt wird.
Manche Probleme sind sofort sichtbar (Lieferverzögerungen), andere weniger (z. B. eine Lücke im Innovationsprogramm). Das Ziel: Gemeinsame Abstimmung über die Vertragserfüllung und frühzeitige Erkennung möglicher Abweichungen.
So können Sie Ursachen rasch beheben und die Partnerschaft im Sinne der ursprünglichen Verhandlung fortführen.
Schlussfolgerung
Der Erfolg einer Einkaufsverhandlung beruht gleichermaßen auf Fachkompetenz und sozialer Intelligenz. Definieren Sie Ihre „Beste Alternative“, achten Sie auf den Ankereffekt, bereiten Sie sich gründlich vor, hören Sie aktiv zu, und steuern Sie den Verlauf zu Ihrem Vorteil.
Mit diesen zehn Best Practices verbessern Sie Ihr Verhandlungsprofil, stärken die Beziehungen zu strategischen Lieferanten und erleichtern die Integration neuer Partner.



