In einem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld suchen Organisationen mehr denn je nach Möglichkeiten, ihre Ausgaben zu optimieren und ihre Gesamtleistung zu stärken. In diesem Streben nach Wettbewerbsfähigkeit spielen Einkaufsabteilungen eine Schlüsselrolle. Unter den wichtigsten Hebeln erweist sich die gemeinsame Beschaffung als besonders wirksam. Diese Strategie ist keineswegs nur großen Konzernen vorbehalten, sondern passt sich Organisationen jeder Größe an – sowohl privaten als auch öffentlichen.
Gemeinsame Beschaffung: Definition
Gemeinsame Beschaffung, auch Einkaufsbündelung genannt, bedeutet, die Beschaffungsbedarfe mehrerer Einheiten – Abteilungen, Unternehmen, Kommunen – zusammenzuführen. Das Prinzip ist einfach: Stärke durch Zahlen. Anders gesagt: Großeinkäufe oder Gruppeneinkäufe sind günstiger als Einzelkäufe.
Diese Strategie verfolgt ein doppeltes Ziel:
Konsolidierung von Beschaffungsvolumen, um vorteilhafte Bedingungen (Rabatte, Lieferzeiten, Zahlungsbedingungen, Service) auszuhandeln;
Rationalisierung von Beschaffungsverfahren, wodurch indirekte Kosten gesenkt werden können.
Gemeinsame Beschaffung ist besonders relevant bei wiederkehrenden oder standardisierten Einkäufen. Dazu zählen u. a.: Büro- und Industriebedarf, IT-Ausrüstung, Sicherheitsmaterial, Verpackung, Fahrzeuge und Wartung, Energie, Versicherungen, behördliche Prüfungen, Bauleistungen …
Warum diese Strategie anwenden?
Die gemeinsame Beschaffung bringt zahlreiche Vorteile mit sich, die weit über Skaleneffekte hinausgehen.
Kosten senken
Der Hauptvorteil bleibt die Kostensenkung durch Mengeneffekte. Höhere Einkaufsvolumen ermöglichen bessere Preise und attraktivere Konditionen. Zudem lassen sich „Ressourcen durch die Bündelung von Kompetenzen und Unterstützungsfunktionen zur Senkung interner Bestellkosten“ rationalisieren, wie Lucile Henriques und Laurent Lequilliec in ihrer Arbeit zur öffentlichen Beschaffung betonen. Daraus ergeben sich indirekte Einsparungen durch geringere Verwaltungs- und Logistikkosten.
Effizienz gewinnen
Ein weiterer Pluspunkt: Zeitersparnis und höhere Effizienz. Gemeinsame Beschaffung optimiert Ressourcen und Prozesse. Organisationen profitieren von vereinfachtem Beschaffungsmanagement, Best Practices und modernen Technologien. So können sich Teams auf strategische Aufgaben konzentrieren.
Leistung verbessern
Gemeinsame Beschaffung trägt zur Professionalisierung der Beschaffungsverfahren bei: Fachwissen wird gebündelt, gemeinsame Rahmenbedingungen etabliert, Bedarfe standardisiert, Management-Tools eingeführt. All das verbessert die Qualität des Einkaufsmanagements, von Ausschreibungen bis zum Risikomanagement.
Zusammenarbeit fördern
Schließlich stärkt die gemeinsame Beschaffung die Kooperation. Sie bietet Gelegenheit, Erfahrungen auszutauschen, Praktiken zu harmonisieren, innovative Lösungen zu entwickeln und neue Kriterien in Verträge aufzunehmen. Dank langfristiger Partnerschaften sind Lieferanten stärker bereit, an Innovationsprozessen mitzuwirken.
Verschiedene Modelle der gemeinsamen Beschaffung
Je nach Bedarf und Ressourcen können unterschiedliche Modelle zum Einsatz kommen: Direkte gemeinsame Beschaffung, Einkaufsgemeinschaften oder Einkaufskooperationen.
Direkte gemeinsame Beschaffung
Unternehmen können völlig autonom ihre Beschaffungen bündeln – mit anderen Unternehmen oder innerhalb der eigenen Struktur (Tochtergesellschaften, Abteilungen). Hier spricht man von zentralisierter Beschaffung. Dies erfordert Koordination, ermöglicht aber eine direkte Beziehung zu Lieferanten ohne Zwischenhändler.
Einkaufsgemeinschaften (Purchasing Centres)
Spezialisierte Strukturen übernehmen Verhandlungen, Analysen und Monitoring. Unternehmen sparen Zeit und nutzen deren Expertise. Voraussetzung ist meist eine Mitgliedschaft oder Gebühr.
Einkaufskooperationen (Procurement Groupings)
Berufsverbände oder Gewerkschaften organisieren oft ihre gemeinsame Beschaffung. Diese Strukturen sind meist branchenspezifisch oder regional verankert und stärken Erfahrungsaustausch sowie berufliche Solidarität.
Hürden, die Sie einkalkulieren sollten
Trotz vieler Vorteile bringt die gemeinsame Beschaffung auch Herausforderungen.
Unterschiedliche Bedarfe
Jede Einheit hat spezifische Prioritäten, Budgets, technische Anforderungen oder Zeitpläne – das erschwert gemeinsame Spezifikationen.
Klärungsbedürftige Governance
Erforderlich ist ein klares Governance-Modell, das Entscheidungswege und Verantwortlichkeiten definiert.
Komplexität
Auf strategischer, administrativer und rechtlicher Ebene ist gemeinsame Beschaffung komplex – insbesondere in regulierten Umfeldern.
Schritte zur Umsetzung
Bedarfe identifizieren – Durchführung einer Ausgabenanalyse, um Volumen, Kategorien und mögliche Bündelungspotenziale zu erkennen.
Vorgehen strukturieren – Ziele, Governance und KPIs festlegen. Beispiele für Kennzahlen: erzielte Einsparungen, Servicegrad, Produktqualität.
Partner auswählen – Lieferanten wählen, die ausreichende Kapazitäten, attraktive Konditionen, Reaktionsfähigkeit und Qualität bieten.
Wirksamkeit messen – Ergebnisse anhand der KPIs prüfen, Verbesserungsmöglichkeiten erkennen und ggf. das Modell auf weitere Kategorien ausweiten.
Wie Sie sehen, ist die gemeinsame Beschaffung ein wichtiger Hebel zur Kostensenkung und Leistungssteigerung. Doch es reicht nicht, nur Volumen zu bündeln. Entscheidend sind eine gemeinsame Vision, klare Strukturen und eine langfristige Ausrichtung.